W i n z l i n g e

 

 

Manchmal mag man nicht mehr gross lesen .... aber vielleicht klein, ganz klein? Bittesehr:

 

 

Weichling

 

Mehr Profil, mehr Profil! wünschte er sich jedesmal, wenn wieder so ein junger Schnösel in weichschaumigen Sneakers gelaufen kam. Mehr Kanten, mehr Ecken! Seit er nicht mehr in aller Munde war, sondern auf der Bahnhofstrasse lebte, wie tat es da dem Kaugummi wohl, wenn alle Jubeljahre mal ein fester Bergschuh kam.

 

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Schweres Los

 

„Ach, mir ist so leicht ums Herz“, sagte der Luftballon, und platzte vor Glück.

 

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Kurzsichtig

 

Eine nach der anderen war von den schwarzen Schlunden verschuckt worden. Die Schlunde sassen am Rande eines makellosen, wunderbar samtigen Grüns, auf dem sie täglich spielten. Polternd und rumpelnd fielen sie in diese Tore zur Hölle. Gegenseitig hatten sie sich dort hinabgestossen. Absichtlich? Aus Versehen?

 

Die Sechs hatte nur ein Auge, konnte Distanzen nicht gut abschätzen. Starr vor Angst hoffte sie auf ein ebenso schlechtes Sehvermögen ihrer Spielgefährtinnen, denn sie war grün und somit gut getarnt ... Doch zu spät, ein so gewaltiger Stoss traf sie von links hinten, dass sie nicht rollte, sondern flog, das Grün noch kurz von oben sah und dann ins All verschwand.

 

Im Himmel gab es - gottseidank! - keine Billardtische. Nur einen müden alten Engel, der sie für einen Apfel hielt und ass.

 

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Schwarz malen

 

Lind war er gebettet in hohen weichen Staub, bald dunkel war die laue Nacht, die vor dem Fenster lag. Steif standen seine kalten Drähte, starr das bleich gefleckte, nackte Edelstahlgehäuse. Ein letzter roter Streifen noch entschwand am innern Horizont, seinem Leben gleich, das ein für allemal verglomm. Scheibenweise zogen Erinnerungen nun vorbei, Weizen, Roggen, rund und eckig, flaumig und auch fest. Dumm wie Brot heisst’s allenthalben, doch es war der olle Toaster, der nie verstand, dass es auch für ihn ein Morgen gab.

 

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Konstant 28° Celsius

 

Wie sie strampelten. Wie sie zappelten. Da, einer drehte sich gekonnt, stiess sich von der Wand ab, andere machten es ihm nach, doch es tat nicht weh, ja sie liebte diese kleinen Tritte in die blanken Flanken.

 

Meine Güte, dass es so viele waren, kaum konnte man sie zählen! Manche dösten vor sich hin, die Augen fast geschlossen, sie lebten doch noch? Aber ja ....

 

So ging das fort den ganzen Tag, sie spendete Wärme, umhüllte sie mit weichem Wasser, und als um Viertel vor Neun die gefürchtete Schluss-Sirene einsetzte, gebar die Schwimmhalle 29 Männer, 18 Frauen und fünf Kinder.

 

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Fortsetzung folgt nicht

 

Jürgen war aus dem Haus gegangen, geduscht, rasiert, mit Calvin Klein parfümiert, die Gedanken bei Sentina, seiner jungen argentinischen Geliebten. Nun stand sein Wagen, aus dem er an der Tankstelle noch die Kekskrümel der Kinder weggesaugt hatte, im Stau. Er würde mehr als zwanzig Minuten zu spät sein. Und dann der Gedanke an das, was er beim schnellen Blick in den Briefkasten gesehen hatte. Ein Couvert, an seine Frau adressiert. Absender war ein Dr. med. Heinrich Brehm, Onkologische Praxis. Jürgens feuchte Hände

 

Von einem Gewitter überrascht, hatte die inzwischen verstorbene Frau Wurster im Liegestuhl am Gardasee an dieser Stelle das Lesezeichen eingelegt und das Buch später samt Strandtasche im Keller vergessen. Allein das Lesezeichen krümmt sich immer noch vor unerlöster Spannung zwischen Seite 42 und 43.

 

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Eine ausserordentlich klare, bestechende Idee

 

Ihr kam in dieser Sekunde eine ausserordentlich bestechende, klare Idee, die ihr Leben umkrempeln könnte. Was der Mann im Zug, der ihr gegenübersass, seinem Freund, oder vielleicht seiner Frau vorlas, vom Dispay des zweiten Smartphones, das er dabeihatte, war eine stringente Zusammenfassung aller wirrer Gedanken, eine praktikable Lösung der vielen drückenden Aufgaben, die in Miriams Leben bevorstanden. Sie fühlte sich elektrisiert, strich das Haar hinter die Ohren und nahm ihr eigenes Smartphone zur Hand. Noch bevor sie den Begriff, der ihr so gut zugesagt hatte, googeln konnte, sah sie draussen ein Plakat.

 

Und ihr kam in dieser Sekunde eine ausserordentlich bestechende, klare Idee, die ihr Leben umkrempeln könnte.