A n i m a l   C i t y

 

 

Sittenbilder und Unsittenbilder. Kolumnen über Tiere in der Stadt und tierische Städter. Ein Beispiel:

 

 

Flannagan will Ihnen nur helfen

 

Einmal bot jemand an, mich von meinem tiefen Misstrauen grossen Hunden gegenüber erlösen. Was nicht mal im Ansatz gelang. Dafür bekam ich aber mehr Zutrauen zu meinem Menscheninstinkt.

 

Ich arbeitete damals als freie Werbetexterin. Für ein Akquisitionsgespräch wählte ich sorgfältig an die zwanzig Arbeitsbeispiele aus, bügelte meinen besten Blazer auf und läutete pünktlich am Eingang eines nüchternen kleinen Gewerbehauses, das allerdings an der „Goldküste“ des Zürichsees lag. Der Kunde in Spe hatte zweimal jährlich einen schmalen, aber textreichen Katalog zu füllen, in dem er textile Klassiker wie V-Pullover und Safarijacken anbot.

 

Als ich eintrat, hielt der mässig grosse, irgendwie englisch wirkende potentielle Kunde Flannagan direkt am Halsband. Flannagan war ein junger Jagdhund, wie mir erklärt wurde. Jung, aber schon gross und kräftig und im Office offenbar etwas unterfordert. Durch sein dünnes, rehbraunes Fell schimmerten nervöse Muskeln. Er war der ganze Stolz des potentiellen Auftraggebers.

 

Wir setzten uns ein einen runden Tisch, und der potentielle Auftraggeber liess Flannagan los. Ich erstarrte. Nie im Leben könnte ich unbeschwert meine Arbeiten präsentieren, während der Hund meine Mappe abroch, seine Pfoten auf meine Beine setzte und sich dazwischen Anerkennung heischend zu seinem Master umblickte.

 

Also in die Offensive: "Sorry,“ (das „Sir“ verkniff ich mir) „es ist bei mir so, dass ich ein wenig Angst vor Hunden habe." Potentieller Auftraggeber: "Ja. Das verstehe ich. Das ist vielleicht jetzt eine gute Gelegenheit, diese Angst zu überwinden." Er kraulte Flannagan aufmunternd.

 

Was soll ich sagen. Ich habe das nicht übermässig lange Gespräch überlebt, strich dabei Flannagan sogar ein, zwei Mal zögernd über den neugierigen Kopf, übermittelte später eine Offerte, die offenbar etwa dreimal so hoch war wie die der Konkurrenz, und damit war der Fall erledigt.

 

Die Taktik dieses potentiellen Auftraggebers finde ich im nachhinein aber ganz relaxing. Kein Palaver über Hardselling, Low-Budget und Feeling für das Produkt, und nachher ist der Entscheid für den Texter trotzdem nicht nachvollziehbar. Nein: Magst Du meinen Hund, mag ich Dich.

 

Braver Flannagan.